Theater-Review: Live Nude Girl
Live Nude Girl (The Lounge Theater, Hollywood/CA/USA, 27.09.2010)

Wer wäre nicht gern einer der großen Stars in Hollywood?! Deanna (Monica Himmel), Tochter einer übereifrigen, neurotischen Schauspielerin (Ellen Dubin) und eines besorgten Vaters (Steve Gelder), würde gern genau so berühmt sein wie ihre Mutter oder wie ihre Mutter sie es als Kind glauben ließ. Aber solch eine Karriere lässt sich nicht am Reißbrett vorzeichnen, wenn man nicht gerade in eine bereits berühmte Familie hineingeboren wird. Deanna fängt daher ganz unten an. Sie muss sich das Geld für ihre Schauspielausbildung verdienen und versucht, aus ihrem Aussehen Profit zu schlagen, z.B. als Aktmodell für diverse Zeichenkursen - und es ist offensichtlich kein Zuckerschlecken, 25 Minuten am Stück bewegungslos auf einer Kiste stehen zu müssen, angezogen oder auch nicht. Diese Art der Darstellung ist jedoch weit entfernt von der Schauspielerei.

Näher dran am Showbusiness ist Deanna in einer weiteren Berufsphase als eine von vielen Tourleitern in einem der FilmParks. Hier muss sie sich zwar nicht ausziehen, aber der Zuschauer erfährt, dass es auch in diesem Geschäft ziemlich hart zugeht und man nicht als Mensch wahrgenommen wird, sondern nur als Angestellter, der bitte seinen Job zu erledigen hat und sonst am besten keine Fragen stellt. Man ist zwar nahe dran an den Dreharbeiten, aber wer meint, man wird dort so einfach von der Straße weg engagiert für eine richtige Rolle in einem richtigen Film, der hat sich geirrt. Und reich wird man dabei auch nicht. Ohne Geld kommt man aber in Hollywood nicht weiter - ohne Agent, gute Fotos, gute Ausbildung, usw. braucht man hier gar nicht erst antreten.

Deanna lockt schließlich das scheinbar schnell verdiente Geld in einem Stripclub in Las Vegas. Dass man dort auch von den Club-Eigentümern ausgenommen wird, schreckt sie nicht ab. Sie lernt, dass exotisches Tänzerinnen und Schauspielerinnen viel gemeinsam haben: beide schlüpfen in unterschiedliche Rollen, haben Künstlernamen und gaukeln vor, sich für das Publikum zu interessieren, um an dessen Geld zu kommen. Da nimmt man auch mal gern in Kauf, angetatscht zu werden. Zumal die Club-Eigentümer dafür sorgen, dass an "ihre" Mädchen auch nichts dran kommt.

Wie in einem klassischen Film wendet sich am Ende dann doch alles dem Guten zu: Deanna ist zurück im Filmstudio bei den Touren und erfährt dort von einem Freund von einem Vorsprechen. Sie bekommt tatsächlich die ersehnte Rolle - ohne sich dafür ausziehen zu müssen.

Live Nude Girl

Soweit zur eigentlichen Handlung.

Die unterschiedlichen Zeit- und Handlungsstränge sind in diesem Theaterstück so mit einander verknüpft, dass sie sich in einer schnellen Abfolge abwechseln. Da die Produktion ohne viel Dekoration und Props auskommt, kann schnell zwischen den einzelnen Szenen gewechselt werden, ohne dass große Lücken entstehen. Viel Dekoration, usw. würde im Gegenteil sogar von der eigentlichen darstellerischen Leistung der beteiligten Schauspieler ablenken. Das Theater selbst ist ziemlich klein und die Zuschauer sitzen ziemlich nahe an der Bühne; wer in der ersten Reihe sitzt, muss damit rechnen, auch mal direkt von den Darstellerinnen (z.B. bei einer der Stripclub-Szenen) angesprochen zu werden.

Alle Darsteller überzeugen durch extremes Einführungsvermögen in die diversen Charaktere (die meisten der Darsteller übernehmen mind. 2 Rollen in diesem Stück), ein weites Spektrum an Dialekten (z.B. schottisch, deutsch oder auch russisch); die Damen stellen auch ihr artistisches Können an den Dance-Poles unter Beweis. Die Vorbereitung insbesondere der Tanzszenen dürfte einiges an Trainingszeit gekostet haben.

Live Nude Girl

Bei manchen Theaterproduktionen in Deutschland hegen Regisseure die Phantasie, ihr Stück "interessanter" zu machen oder "mehr Inhalt rüberzubringen", indem die Darsteller nackt ihren Text auf der Bühne rezitieren. In "Live Nude Girl" ist die Nackheit der Hauptdarstellerin am Anfang des Stücks als Akt kein künstlerisches Mittel, um zu schockieren, sondern einfach eine Notwendigkeit, um die Situation der Rolle korrekt darzustellen. Der Regisseur Joe Ochman setzt dies sehr einfühlsam um und mutet seinem Publikum auch nur die nackte Hinterseite der sehr schlanken, attraktiven Hauptdarstellerin zu, während auf die Vorderseite - wie sonst beim zensierten Fernsehen - mit schwarzen Balken die kritischen Stellen verdeckt sind. Wobei sich die Frage aufdrängte, wie unangenehm es für die Darstellerin gewesen sein muss, sich diese Stellen abzukleben. Manchmal muss man für den Erfolg eben auch ein kleines bisschen leiden.

"Live Nude Girl" lockt nicht nur mit einem frivolen Titel sondern hat wirklich eine Botschaft zu bieten: niemals aufgeben, egal welche Umwege man im Leben auch gehen muss, um sein Ziel zu erreichen.

Noch drei weitere Vorstellungen sind von diesem Stück im "The Lounge Theater", welches sicherlich nicht in einer der attraktivsten und sichersten Gegenden von Los Angeles liegt, geplant, aber der Besuch ist es auf jeden Fall wert. Man hat auch nach dem Stück noch die Gelegenheit, sich mit den Darstellern und dem Regisseur auszutauschen.

Alle Beteiligten hegen die Hoffnung, dass sich die Gelegenheit bieten wird, das Stück andernorts auch noch einem größeren Publikum vorstellen zu können. Cast und Crew hätten dies auf jeden Fall verdient.

Live Nude Girl

Darsteller: Monica Himmel, Ian Stanley, Charmain Crook, Stacey Mosely, Paul McKinney, Yelba Zoe, Michael Harris, Lyn Michelle Ross, Matt Crabtree, Steve Gelder, and Ellen Dubin

Regie: Joe Ochman

Kostüme: Sica Schmitz

Choreografie: Jackie Puumala

Stage Manager: Jennifer Palumbo

Fotoquelle: Live Nude Girl Webseite